Sonntag, 10. Februar 2008

Alle bescheuert... oder: ein molekulares Menü in 7(½) Gängen

Gestern war wieder mal Samstag. Aber kein gewöhnlicher Samstag. Tiger und ich haben diese Woche wieder mal eine kleine Bestellung losgetreten und mussten gleich wieder mal einige Dinge ausprobieren. Heraus kam dabei nicht nur das folgende 7-Gänge-Menü, sondern auch unglaubliche Mengen an schmutzigem Geschirr.

Warum bescheuert? Also abgesehen davon, dass nicht viele Leute so lange Fotos von ihrem Essen machen, bis es schon fast wieder kalt ist, machen sicherlich noch weniger Menschen ein Foto von deren Geschirr oder Spülmaschine hinterher.

1. Gang: Gazpacho mit Kirschen und Parmaschinken (Joerg)

Dieses Gericht ist größtenteils von Amadors Gazpacho mit Kirschen und iberischem Speck abgekupfert. Für die Gazpacho wurden folgende Zutaten in einen Mixer gepackt, 15 Minuten schön durchgemixert und dann erstmal 2 Stunden kaltgestellt:
  • 1 rote Paprika
  • 1/2 grüne Paprika
  • 250g Süßkirschen
  • getrocknete Kirschen
  • 250g selbstgesäuerte Schattenmorellen (in Ermangelung richtiger Sauerkirschen)
  • 100g Weißbrot
  • 50ml Rotweinessig
  • 100ml bestes ;-) Olivenöl
  • Himalaya-Salz
  • frisch gemahlener weisser Pfeffer
Amador passiert die ganze Geschichte nochmal durch ein feines Sieb, worauf ich hier verzichtet habe, damit die Gazpacho etwas mehr Fülle hat. Dazu gab es etwas angeröstetes Weißbrot und ein paar der getrockneten Kirschen in Parmaschinken eingewickelt.

Leider kam der Kirschgeschmack in der Gazpacho nicht so ganz zur Geltung und wurde vom Essig etwas übertönt. Wahrscheinlich sollte ich das nochmal mit richtigen Sauerkirschen wiederholen.

2. Gang: Fischtörtchen und Lauchpudding an Walnussjus (Tiger)

Ausgangspunkt dieses Gerichts war die Idee von Jamie Oliver, Schollenfiltes und Schinken zu Röllchen zu rollen und diese zu grillen. Eine sehr leckere Sache, die zur nächsten Grillsaison wieder fällig wird. Um den Röllchen den rustikalen Touch zu nehmen, habe ich sie in Törtchen umgeformt. Der dezente Lauchpudding ist ein schöner Begleiter zu Fisch. Der leicht nussige Charakter der Kombination aus Fisch und Schinken wird vom Walnussjus aufgegriffen und verstärkt.



Fischtörtchen:

Fischfilets kleinschnippeln und mit Eiweiss, Sahne und Tabasco eine art grobe Fischfarce herstellen. Abwechselnd eine Scheibe Schinken und eine Schicht Fisch in einen Ring oder ein Förmchen geben, mit Schinken abschließen. Im Ofen bei 100° so lange backen, bis das Ei stockt. (ca. 10 min)

Lauchpudding:

Lauch schnippeln, anbraten, ganz wenig Wasser angießen und weichköcheln. Etwas abkühlen lassen und ein ganzes Ei unterrühren. Ebenfalls in Förmchen oder Ringe geben. Im Ofen bei 100° so lange backen, bis das Ei stockt. (ca. 30 min)

Walnussjus:

Die Idee stammt von Juan Amador, allerdings im Original mit Haselnüssen. 100ml Kalbsjus etwa einreduzieren, 10g Nussbutter und etwas Walnussöl zugeben, mit Salz, Pfeffer, Weissweinessig und Zucker abschmecken. Mit Pfeilwurzstärke binden und ggf. passieren.

Als Deko habe ich noch ein paar Walnusskerne trocken geröstet. Weils so schön ist, hier noch ein Closeup:


3. Gang: Vinaigrette in Texturen (Joerg)

Auch dieses Rezept war aus Amadors Tapas-Buch und wie immer etwas abgewandelt. Für das Essiggelee, einfach 1 Blatt eingeweichte Gelatine, 100ml Rotweinessig, 100ml weißer Balsamico, 1 EL Senf, 50ml Wasser und 5 Meßlöffel Agazoon vermengen und kurz aufkochen. Die Masse dann zum Abkühlen in eine mit Klarsichtfolie ausgelegte Form geben und dann später in Würfelchen schneiden. Dazu gab es etwas Olivenöl in Pipetten und Zuckerwatte, garniert mit frisch gemahlenem Pfeffer und Meersalz.

Die erste Hürde hierbei zeigt sich nicht in der Zubereitung, sondern vielmehr in dem Rätsel, wie man diese Geschichte zu sich nimmt. Ein Blick in das Tapas-Buch half uns auch nicht weiter. Wahrscheinlich ist das auch egal. Alles rein in den Mund und dann.....lecker.

Als dieser Gang dran war, war die Zuckerwatte leider schon wieder zu einem seidenraupenkokonähnlichen Gebilde zusammengeschrumpft und so hatten wir erstmal etwas mit den Zuckerklumpen im Mund kämpfen. Geschmeckt hats trotzdem und ich würde die Zuckerwatte auch nicht weglassen wollen.

4. Gang: Rinderfilet Sous-Vide an zweierlei Saucen vom Kalb (Tiger)

Nach dem ich erfolgreich mit Sau und Schaf im Wasserbad experimentiert habe, sollte heute Kalb in den Topf. Verplant, wie Metzger nun mal sind, stand das Kalb dann doch noch auf der Weide, statt in der Kühlteke zu liegen. Also habe ich mich für das "Schwanzstück" eines schönen Rinderfiltes entschieden und es diesmal gleich vom Metzger einvakuumieren lassen.

Als Rahmsaucenfan wollte ich nicht auf eine solche verzichten, aber auch deren Grundlage, den puren Geschmack des Kalbsjus "herüberretten". So entstand die Idee mit den klaren Geleewürfeln in der Sahnesauce. Segensreicherweise hatte ich "pflanzliche Gelatine", eine Mischung aus dem Carrageen Kappa und Johannisbrotkernmehl bestellt. Damit lassen sich im Gegensatz zu Agar Agar durchsichtige Gelees herstellen. Die Konsistenz ist etwas fester als Gelatine aber ähnlich angenehm im Mundgefühl und nicht so "bröckelig" wie Agar.


Rinderfilet:

Einvakuumieren und je nach Dicke 1-2 Stunden bei 60° im Wasserbad garen, dann in Scheiben schneiden.

Rahmsauce:

Kalbsjus einreduzieren, Sahne angießen und nochmal etwas einreduzieren. Mit Salz und Pfeffer abschmecken und mit Pfeilwurzstärke etwas binden. Die Sauce soll auf dem Teller gerade noch verlaufen, damit man einen schönen Spiegel bekommt.

Kalbsjus-Gelee:

Kalbsjus einreduzieren und pikant abschmecken. Pflanzliche Gelatine (Kappa + Johannisbrotkernmehl, von Sosa) einrühren und in einer Form zu einem Block erstarren lassen, dann in Würfel schneiden.

Karottenpüree:

Auch diese Idee kommt aus der Bastelküche von Juan Amador: Karotten klein schnippeln, in Butter und Olivenöl anbraten, mit Salz, Pfeffer und Zucker würzen und mit Weissweinessig ablöschen. Mit Karotten- und Orangensaft aufgießen und weichkochen. Dann alles im Mixer pürieren. Lieber erst etwas dicker anfangen und ggf. mit O-Saft verdünnen.

Als Deko und zur geschmacklichen Ergänzung durften noch ein paar gebratene Champignons mit auf den Teller. Auch hier gibts noch ne schöne Nahaufnahme:


5. Gang: Spaghetti Unbolognese (Joerg)

Dieser Gang wurde durch ein recht umstrittenes Spaghetti Bolognese Rezept von Heston Blumenthal, bzw. einer kürzeren Fassung von Benedikt Köhler inspiriert (bei letzterem Link unbedingt die sehr unterhaltsamen Flame-Kommentare lesen *g*).
Leider hatte ich nicht besonders viel Zeit und somit hatte ich das Rezept noch weiter verkürzt. Dies hatte zur Folge, dass dabei zwar eine sehr leckere Soße heraus kam. Aber für den Umami-Geschmack brauch man dann halt doch viiieeel mehr Zeit.

Zutaten:
  • Olivenöl
  • 2 Zwiebel
  • 2 Sternanis
  • 3 Knoblauchzehen
  • 1 Karotte
  • 1 Staudensellerie
  • 250g Hackfleisch
  • 375ml Chardonnay
  • 200ml Milch
  • 250mg passierte Tomaten
  • 4-5 sonnengetrocknete Tomaten
  • Tabasco
  • Thai-Fischsauce
  • Worcestershiresauce
  • Rotweinessig
  • Spaghetti

Zubereitung:
  • Etwas Öl in einer Pfanne erhitzen. Eine Zwiebel mit einem Sternanis hinzugeben und etwa 20 Minuten lang köcheln, bis die Zwiebeln schön weich sind (und auch schon allein sehr lecker schmecken).
  • In einer zweiten Pfanne etwa 50ml Öl erhitzen. Knoblauch, Zwiebeln, Karotten und Sellerie dazugeben und bei niedriger Hitze 20 Minuten garen lassen.
  • In einer weiteren Pfanne auch 50ml Öl stark erhitzen bis das Öl zu rauchen beginnt. Jetzt das Hackfleisch in die Pfanne geben und unter Rühren von allen Seiten anbräunen. Dabei kann ruhig etwas von dem Fleisch an der Pfanne kleben bleiben. Das (nicht kleben gebliebene) Fleisch in ein Sieb schütten, sodaß das Öl abtropfen kann. Pfanne mit etwas Wein ablöschen und damit Fleischreste von der Pfanne lösen. Etwas einkochen lassen und dann zusammen mit dem Fleisch und den Sternanis-Zwiebeln in einen großen Topf geben. In der ersten Pfanne (die mit den Sternanis-Zwiebeln) den restliche Wein nochmal kurz aufkochen und dann bis zur Hälfte einreduzieren lassen. Den einreduzierten Wein und das Gemüse in den Topf geben, Milch hinzufügen und dann mit Wasser auffüllen, sodaß das ganze Fleisch bedeckt ist. Zwei Stunden bei niedriger Hitze köcheln lassen.
  • Etwas Olivenöl erhitzen, passierte Tomaten, sonnengetrocknete Tomaten, einen weiteren Sternanis, und Nelken dazugeben. Ein paar Tropfen Tabasco, Fischsauce sowie 2 EL Worcestershiresauce und einen Schuss Essig hinzufügen, dann bei mittlerer Hitze etwa eine halbe Stunden kochen lassen.
  • Tomatenmasse kurz mit dem Zauberstab durchpürieren, nochmals kurz aufkochen und dann zum Fleisch dazugeben und dann einreduzieren lassen, bis sich eine schöne Soße ergibt.
  • Zu guter letzt nur noch die Nudeln kochen, Soße dazu und fertig.
So viel Zeit und Arbeit habe ich noch nie zuvor für Spaghetti-Zubereitung investiert. Gelohnt hat es sich sicherlich, wobei ich der Meinung bin, dass man mit weniger Aufwand ein ähnliches Ergebnis hätte erzielen können. Wenn ich mal wesentlich mehr Zeit habe, werde ich die Blumenthal-Methode mal richtig ausprobieren.


6. Gang: Caipi de- und rekonstruiert (Tiger)

Nach Jörgs molekularem Caipi (siehe weiter unten in diesem Blog) hat mich die Idee nicht losgelassen. Ich wollte alle Komponenten (Eis, Limettensaft, Cachaca, brauner Zucker) irgendwie umbauen, ohne die Grundidee des Caipirinha dabei aus den Augen zu verlieren. Heraus kam dabei Eis und Limettensaft in einem Sorbet kombiniert, der Cachaca als fester Würfel, dafür der braune Zucker als flüssiger Sirup. Alle Einzelkomponenten hatten am Schluss einen sehr chakteristischen Eigengeschmack, alles zusammen gelöffelt gab im Mund dann wieder das originale Caipi-Feeling.


Limettensorbet:

500ml Limettensaft, 250g Zucker und 5g Agar Agar erhitzen bis sich alles aufgelöst hat. Nach Geschmack mit etwas grüner Lebensmittelfarbe pimpen. In der Eismaschine zu Sorbet verarbeiten. Warum Agar Agar mit reinkommt, steht weiter unten in diesem Blog. Ich sag nur "Schlotzfaktor".

Cachaca-Gelee:

Cachaca vorsichtig erwärmen auf 65°, Veggie Gelatine (s.o.) einrühren, ggf. nochmal Cachaca nachgießen, um den hoffentlich geringen Alk-Verlust auszugleichen (soll ja birnen wie echter Caipi). In eine Form gießen, zu einem Block erstarren lassen und in Würfel schneiden.

Karamellsirup aus braunem Rohrzucker:

Rohrzucker mit etwas Wasser vermischen und erhitzen, dabei nicht zu viel rühren. Den Karamell etwas bräunen lassen, dann vom Feuer nehmen und etwas abkühlen lassen. Wenn der Sirup zu dick wird, mit etwas Wasser verdünnen.

Den angerichteten "Caipi" mit Rohrzucker und abgeriebener Limettenschale bestreuen und mit ein paar Limettenfilets garnieren. Sieht dann im Makro-Modus so aus:


7. Gang: Überraschungsschokolade an Vanilleschäumchen (Joerg)
Die Idee zum Nachtisch war inspiriert durch Ferran Adrià, der Fizzy aus seiner Texturen Überraschungsreihe mit Schokolade umhüllt. Fizzy besteht aus Natriumbicarbonat und Zitronensäure und ergibt somit ein brauseähnliches Sprudeln im Mund.

Für diese Umsetzung, habe ich Zartbitterkonfitüre geschmolzen, etwas Öl hinzugefügt und Fizzy hinein und in eine spitz zulaufende Eisform zum abkühlen (damit es etwas Toblerone-like aussieht. Dazu gab es ein kleines Schäumchen aus Vanillezucker, Sahne und einem Schuss Milch. Für den letzten Feinschliff hat dann mal wieder Tiger mit etwas Kakao gesorgt.


Aber das Beste an diesem Nachtisch waren die Reaktionen. Zunächst ein kritischer Blick, dann wurde erstmal die Schokolade zerteilt. Das zeigt allerdings nur, dass irgendwas drin ist. Dann wurde probiert. Weiterhin irritierte Blicke und dann nur noch breites Grinsen. Dafür hat sichs echt gelohnt und lecker wars auch noch.

8. Gang: Spülgang

Wer viel kocht und viel isst muss auch viel spülen besagt ein berühmtes chinesisches Sprichwort. Wir lassen natürlich spülen aber das Ein- und Ausräumen muss trotzdem sein. So sah die Ladung nach dem Essen aus:



Wer hat bloss von meinen 22 Tellerchen gegessen?


PS: Das war nur für 3 Personen. Nicht 22.

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